Dienstag, 8. Juni 2010

Wir kämpfen für die Uni Lübeck, wir kämpfen für unsere Zukunft

Von Sylvia Kiencke (Studentenzeitung „StudentenPACK“, Lübeck)

Unerwartet, eiskalt, wie ein Schlag in die Magengrube traf uns die Meldung am 25. Mai, dem Dienstagabend, der jegliche Pläne für die nächsten paar Tage, wenn nicht gar Wochen, mit einem Schlag durcheinander wirbelte. Die Haushaltsstrukturkommission legt der Landesregierung in ihren „Empfehlungen zur Konsolidierung der Finanzen des Landes Schleswig-Holstein“ nahe, zum Wintersemester 2011/12 keine neuen Medizinstudenten mehr an der Uni Lübeck zuzulassen. Die Medizin in
Lübeck soll sterben? Dann stirbt die gesamte Uni! Während dies in
wesentlich größeren Unis nur einen kleinen Prozentsatz ausmacht, hieße dies für Lübeck mit dem Wegfall von 56 Prozent der Studierenden praktisch das Aus. Zweiter schwerwiegender Fakt ist, dass die Medizin nicht nur einfach eine Fakultät, sondern die Basis aller anderen Studienfächer der zweiten Fakultät in Lübeck ist. Geschichtlich betrachtet hat die Medizin immer den Kern der Universität gebildet. Gerade das hat erst das Ansiedeln der Medizintechnik in Lübeck so attraktiv gemacht: Die Nähe dieser zukunftsweisenden Forschung zur Klinik. Wird dieses Fundament zerstört, bricht das noch immer wachsende Konstrukt der Medizintechnik wie ein Kartenhaus zusammen.
Es brauchte einige Minuten, den lähmenden Schock abzuschütteln, den ein kleiner Absatz in einem bestenfalls als schlechter Scherz zu verstehenden Schreiben mit seinen weitreichenden Folgen auslöste.
Schnell war allen klar: Wir mussten handeln, sofort. Gerade erst von der gemeinsamen Demonstration mit den Mit-arbeitern gegen die Privatisierung des UK-SH (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) zurückgekommen, blieb nicht viel Zeit für Verschnaufpausen. Erste Statements wurden verfasst und das Präsidium der Uni, das ebenfalls bereits in hellem Aufruhr war, kontaktiert.
Für den darauf folgenden Mittwoch war bereits im Vorfeld eine
öffentliche Sitzung des Senats der Universität zu Lübeck einberufen
worden. Unter regem Interesse der Studierenden und Mitarbeiter von
Klinik und Universität verdeutlichte Präsident Prof. Dr. Peter Dominiak die kritische Lage, in der sich die Uni, aber auch die Stadt Lübeck, durch diese folgen-schweren Pläne der Haushaltsstrukturkommission befände. Ein Stich „mitten ins Herz“. Diese Symbolik kristallisierte sich in den folgenden Tagen immer mehr heraus: Mitten ins Herz der Uni, mitten ins Herz der Stadt, mitten ins Herz der medizintechnischen Region Lübeck. Die Medizin ist das Herz, die Basis, die Grundlage der national wie international als exzellent anerkannten Lehre und des wirtschaftlich attraktiven Standorts Lübeck. Mit der Medizin in Lübeck entreißt sich das Land Schleswig-Holstein ein Organ, dass das bildungsattraktive wie aufblühend wirtschaftliche Überleben des Landes stark beeinflusst, was die schnellen, ebenfalls empörten Statements zahlreicher wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Vertreter endgültig klarmachten.
Bei den studentischen Gremien an der Uni Lübeck liefen indes die
Vorbereitungen jeglicher bereits erdachter Protestaktionen auf Hochtouren. Flyer und Poster wurden gedruckt und die ersten Demo-Schilder gebastelt. Die Homepage www.luebeck-kaempft.de, die bereits fünf Jahre zuvor bei Protesten gegen eine Landesuniversität zum Einsatz gekommen war, wurde reanimiert und erstrahlte jetzt in neuem Outfit. Hier laufen alle Informationen zusammen: Aktionsberichte, Stellungnahmen, Pressespiegel, Informationen zu anstehenden Terminen. Ein Forum wurde hinzugefügt, um sich besser gemeinsam koordinieren zu können. Es bildete sich eine Kerngruppe „Lübeck kämpft!“ aus
Studierenden aller Gremien, aller Fächer und Jahrgänge. Gerade die
ersten Tage hielten viel Arbeit und wenig Schlaf bereit. Haus 24, der
Sitz des Allgemeinen Studierendenausschusses und mittlerweile Hauptquartier von „Lübeck kämpft!“, wurde zur Anlaufstelle für zahlreiche engagierte Studen-ten und Mitarbeiter. Die Hilfsbereitschaft war und ist überwältigend. Auf den bestimmten Mienen aller immer der gleiche Slogan zu lesen: „Lübeck kämpft! … Ich kämpfe mit!“
Durch eine glückliche Fügung sollte am Donnerstag, dem 27. Mai, Dr. Wolfgang Kubicki im Scandic Hotel in Lübeck einen Vortrag auf der Versammlung des Verbandes der Selbständigen und Freiberufler e.V. halten. Noch mitten in der Nacht zum Donnerstag um ein Uhr schickte die Kerngruppe eine Ankündigung über den Studentenverteiler, in der sie dazu aufrief, sich für den Abend für eine geplante Aktion bereitzuhalten. Am Nachmittag wurden die Pläne konkretisiert: Die Studierendenschaft sollte sich in möglichst großer Zahl vor dem Scandic zu einer spontanen Protestaktion versammeln. Einige Mitglieder der Kerngruppe „Lübeck kämpft“ hatten sich bereits am Morgen für die Versammlung angemeldet, um schon dort mit Kubicki in einem kritischen Dialog zu treten.
Natürlich würde die Menge vor dem Scandic fordern, dass Kubicki vor sie tritt, um sich als Mitglied der Haushaltsstrukturkommission für die Sparpläne zu erklären, doch konnte niemand abschätzen, ob er auf diese Forderung auch wirklich eingehen würde. Unerwartet für eine über Nacht aus dem Boden gestampfte Protestaktion, wurde die Menge aus Studenten und Mitarbeitern vor dem Hotel immer größer. Am Ende lagen die Schätzungen bei rund 700 Protestierenden. Und Kubicki stellte sich der
Menge. Die erhofften Eingeständ-nisse blieben aus. Klang doch alles, was der FDP-Fraktionsvorsitzende sagte, nur wieder nach abgedroschenen Phrasen. Schnell fehlten ihm die Argumente, um der Diskussion standzuhalten, also versprach er ein weiteres Treffen und erklärte das Gespräch für beendet. Im Anschluss wurde die Demonstration quer durch die Altstadt fortgeführt. Das erste Zeichen war gesetzt.
Das geplante Gremienwochenende in Kappeln vom 28. bis 30. Mai wurde kurzer Hand zum Krisengipfel umfunktioniert, zu dem am Samstag, dem 29. Mai, zwei Vertreter der Kieler Medizinfachschaft dazu stießen. Große Begeisterung löste das Gast-geschenk der Kieler aus: Ein großes gelbes Transparent auf dem „…Kiel kämpft mit“ stand, gespickt mit zahlreichen Unterschriften von Kieler Medizinstudenten, die auf der Party am Vorabend gesammelt wurden. Die Botschaft war klar: Wir kämpfen gemeinsam!
Gemeinsam mit Kiel, gemeinsam mit Schleswig-Holstein. Die Vorbereitungen für die Demonstration am 16. Juni sind in vollem Gange, und um ein deutliches Zeichen zu setzen gegen Unischließung und systematischen Bildungsabbau, muss uns bewusst sein: Es geht letztendlich nicht nur um Lübeck. Es geht um die Bildung im Allgemeinen, die von der Haushaltsstrukturkommission massiv beschnitten wird. Und die Bildung ist unsere Zukunft, also müssen wir uns gemeinsam für diese einsetzen.
Deshalb fordern wir alle Lübecker, alle Kieler, alle Schleswig-Holsteiner dazu auf: „Kämpft mit uns! Kämpft mit der Uni Lübeck, für die Uni Lübeck, für die Bildung in Schleswig-Holstein!“

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