Dienstag, 8. Juni 2010

Studierende und ihre Vertretung: Wer ist hier das schwarze Schaf?

Von Katia Backhaus

Die Autorin ist selbst hochschulpolitisch aktiv, jedoch kein Mitglied in irgendeiner Art von Hochschulgruppe oder Gremium. Dieser Text ist demzufolge aus Erfahrung und zahlreichen Diskussionen mit hochschulpolitisch Aktiven und Interessierten heraus entstanden und beeinflusst.

Hinweis: Ausnahmslos alle zitierten Aussagen sind von AStA-Mitgliedern in offiziellen AStA-Publikationen bzw. auf deren Webseite gemacht worden.

Wer sich fragt, warum an unserer Uni gerade eine Menge so unglaublich schief läuft, und Erklärungen dafür sucht, wird mit diesem Text nicht abschließend befriedigt werden. Denn an den Entwicklungen des vergangenen hochschulpolitischen Jahres waren viele Akteure und Ereignisse beteiligt. Trotzdem aber sollte und kann ganz direkt gefragt werden: Wie war der AStA, die offizielle Vertretung der Studierendenschaft, an der Hochschulpolitik beteiligt und wozu hat er beigetragen? Ein gutes Beispiel für diese Betrachtung ist die letzte Vollversammlung Anfang Mai.

Diese Versammlung am 4. Mai war mit geringer Beteiligung und wenig Ergebnissen ein Reinfall. Es entstand keine Diskussionskultur, drei Stunden lang (das erste Podium dauerte von 10 bis 13 Uhr) stellten AStA-Referenten Dekanen Fragen, die weder kritisch noch neu waren. Es erinnerte fast an eine Schulstunde: Der Reihe nach wurden Referenten aufgerufen, Mikros funktionierten nicht, manche waren ein bisschen verlegen und allgemein war man ganz froh, dass „die meisten Podiumsteilnehmer den Fragen und Verbesserungsvorschlägen seitens des Plenums positiv gegenüberstanden“ (CampusInfo). Das „Plenum“ übrigens war in der Sitzverteilung strikt getrennt in „Fraktion“ und Plenum (= Rest), wobei die Fraktion (= AStA) das Erstrederecht hatte. Fragen aus dem restlichen Publikum wurden weit nach hinten verschoben. So sollten zu spezielle individuelle Fragen vermieden und Angelegenheiten des allgemeinen Interesses in den Vordergrund gestellt werden – allerdings gab es nicht nur Dopplungen von Referentenfragen, sondern auch wenig Erfolg, dieses allgemeine Interesse zu wecken.

Wo liegen nun mögliche Ursachen dieses Reinfalls? Ein Blick zurück, auf die Zeit vor der Vollversammlung. Eine knappe Woche vorher hingen die ersten Plakate, die Flyer gab es noch später. Wie gut, dass das Maskottchen der HSG Bildungsinfo den netten Job des persönlichen Flyerverteilens übernahm – das erregte die Aufmerksamkeit, die weder das Design noch die Kommunikationsstrategie des AStA hervorriefen. Kein Stand, keine Aktion, die auf den Termin aufmerksam machten. Vielleicht liegt die Ursache dieser Werbe-Inaktivität an der Auffassung, es sollte doch ganz selbstverständlich sein, auf der Vollversammlung zu erscheinen. An sich sollten die Beteiligung und das Interesse am Campusleben natürlich Teil der Verantwortung als „Bürger“ der Uni sein, trotzdem wäre es meiner Ansicht nach Teil der Verantwortung des AStA gewesen, die Versammlung engagierter anzukündigen, zu informieren und zu werben.

Auf der Vollversammlung selbst wurde dann noch ein ganz anderer „logischer“ Zusammenhang konstruiert, der das Erscheinen der Studierenden selbstverständlich machen sollte. Schließlich sei die Versammlung die logische Folge aus dem Bildungsstreik im Juni 2009 und der Besetzung an der CAU im November und Dezember 2009, wie der AStA-Vorsitzende Tobias Langguth bei seiner Begrüßungsrede erläuterte. Allerdings waren diese Aktionen – im Gegensatz zur Vollversammlung – keine Anliegen des AStA. Denn weder war er Mitinitiator der hauptsächlich vom Kieler Bildungsbündnis organisierten Demonstration im Sommer noch aktiver Teil der Besetzung im Winter.

Was also hat unsere Studierendenvertretung im vergangenen Jahr getan? Eine kleine Auswahl der Aktionen der vergangenen Monate. Juni 2009 Während der AStA, also die laut aktuellem Artikel im CampusInfo armen Engagierten, die vom Rest der desinteressierten Studierendenschaft „als Störenfriede und Spinner verschrien“ werden, mit einem Grill- und Bierabend seine letzte Sitzung im Semester abschloss, waren andere Engagierte dabei, Banner zu sprayen, um auf den Jahrestag der Bologna-Erklärung (19. Juni) aufmerksam zu machen. Oktober 2009 Als die Universitäten in Österreich begannen zu brennen (Besetzung seit 22. Oktober 2009), lag der AStA im Bett und schlief nach der Semesterstart-Party „einfach den Rausch vom Vorabend aus“ – exakt das, was der AStA-Vorstand nun denen vorwirft, die nicht bei der Vollversammlung waren.

Über zwei Wochen später (9./10. November) fand dann allerdings die äußerst medienwirksam inszenierte „Care for Vienna“-Tour des AStA statt, die sogenannte Care-Pakete nach Wien brachte und auf dem Weg Solidaritätsbekundungen verschiedenster Studierendenvertretungen einsammelte. Geradezu begeisternd anzusehen waren der Elan und das Tempo, mit dem diese Aktion vorbereitet und in der medialen Öffentlichkeit verbreitet wurden. Wieso man aber 3000km zurücklegen muss, um sich zu beteiligen, anstatt in Kiel über die österreichischen Proteste zu informieren und eine Diskussion an der eigenen Uni anzuregen, bleibt meiner Ansicht nach auch im Rückblick noch fraglich. November/ Dezember 2009 Während sich studentische Besetzer in der Alten Mensa mit Ideen von Basisdemokratie (übrigens eines der Grundprinzipien der im AStA vertretenen HSG Fachschaftsliste), Diskussionskultur und den Problemen des Bologna-Prozesses auseinandersetzten, saß der AStA dabei und wartete mit einer Stellungnahme, bis konkrete Ziele formuliert würden.

Soweit zur Studierendenvertretung. Was aber passierte in anderen Teilen der Studierendenschaft? Vor allem in der Nachfolge der Besetzung wurden aus verschiedensten Gruppen und auch von Einzelnen Initiativen angeregt, um die gegenwärtige Studiensituation zu verbessern. Ein Gesprächsforum mit Vertretern aus Politik und Hochschule entsteht; die HSG Bildungsinfo hat sich aus Teilen der studentischen Besetzer gebildet; einzelne Aktive, Fachschaften und auch Dozenten sind motiviert und kreativ dabei, Änderungen anzustoßen. Alle Ideen und Initiativen werden vom AStA erst mal freundlich aufgenommen. Schließlich aber – an dem Punkt, an dem es um Entscheidungen, die Vergabe von festen Aufträgen für hochschulpolitische Aktionen geht – stoßen alle Initiativen auf den harten Kern des AStA und seine Aussage: „Nur wir sind das demokratisch legitimierte Gremium, wir müssen darüber entscheiden.“ So wird freier Aktion und engagierter Kreativität eine Bremse gesetzt, die – so scheint es – wenig mit dem Inhalt, sondern weit mehr mit formaler Richtigkeit der AStA-Regularien zu tun hat und dessen Selbstverständnis als „Regierung“ Rechnung trägt.

Genau dieses Selbstverständnis allerdings kann sich nicht auf direkte demokratische Legitimation stützen, denn direkt gewählt ist nur das Studierendenparlament (StuPa). Der AStA ist lediglich dessen ausführender Ausschuss. Grundlegende Entscheidungen wie z.B. die Beauftragung von Nicht-Mitgliedern für bestimmte Initiativen und Aktionen sind dem StuPa vorbehalten und müssen dort auch mit der Opposition diskutiert werden. Dies ist das demokratische studentische Forum unserer Universität, das weitaus mehr Beachtung finden müsste – von Studierenden, aber auch vom AStA selbst. Eben weil es so wenig im hochschulöffentlichen Fokus steht, ist es möglich, Beschlüsse de facto formal leichtfertig zu umgehen.

Es stellt sich also letztendlich die Frage, wie sich unser AStA selbst versteht. Es lässt sich an dieser Stelle feststellen, dass wir einen AStA haben, der es anscheinend für vollkommen vertretbar hält,

1) einen selektiven Aktionismus zu betreiben, der nicht sensibel genug auf die tatsächlichen hochschulpolitischen Erfordernisse reagiert.

2) Engagement von Gruppen und Einzelnen, die weder dem AStA noch dem StuPa angehören, solange positiv anzunehmen, wie sie im Arbeits- und Entstehungsprozess sind und am entscheidenden Punkt Initiativen nicht mehr inhaltlich zu beurteilen, sondern rein formalistisch mit der „Wir sind demokratisch legitimiert“-Formel abzuwürgen.

3) die Studierendenschaft, deren offiziell legitimierter Ausschuss er ist, von ihrem Vorstand als duckmäuserische Schafe beschimpfen zu lassen, „die nicht mal den Elan aufbringen können für ihre eigenen Interessen den Arsch ins Audimax zu schwingen“. Das sei „niederschmetternd und widerlich“ und ist im aktuellen CampusInfo nachzulesen.

Natürlich kann es äußerst befreiend sein, seine Wut über ein offensichtliches Desinteresse in einer solch drastischen Weise loszuwerden, allerdings stellt sich zum einen die Frage, inwiefern dies zum Selbstverständnis hochschulpolitischer „Regierender“ passt und zum anderen ist zu bezweifeln, dass solche Formulierungen dafür sorgen, dass die Motivation und das Interesse an Hochschulpolitik steigen.

Die Frage ist: Warum funktioniert das so? Ist die Kieler Studierendenschaft wirklich eine Horde „duckmäuserischer Schafe“, die sich partout nicht aus der norddeutschen Ruhe bringen lässt? Oder ist das Prinzip viel einfacher: Liegt die Ursache im Selbstverständnis der Studierendenvertreter? Der AStA hat sich, wie quasi alle „Regierungen“ es tun, seinen Regierten angepasst, sich bemüht, sie zufrieden zu stellen und großen Ärger möglichst zu vermeiden. Deswegen gibt es auch nur einen kurzen Nachbericht zur Vollversammlung, aber eine etwa dreimal so lange Ankündigung zum ebenfalls kürzlich veranstalteten „Campus Sommer Open Air“. Durchaus gibt es auch Stellungnahmen zu hochschulpolitischen Themen – die stehen aber nicht im Vordergrund, werden nicht groß und bunt plakatiert, ziehen keine Aktionen nach sich.

Trotzdem betont der AStA deutlich seine hochschulpolitische Position: Das Ziel sei, „die Studierbarkeit von alten wie neuen Studiengängen … weiter zu verbessern“ und „die Universität auf Fehler, Ungereimtheiten und schlichte Missverständnisse hinzuweisen.“ Dafür wolle man sich „diplomatisch, aber bestimmt“ stark machen. Diplomatisches Vorgehen passt auch zur Ansicht des AStA-Vorsitzenden: „Universitäten sollen die Führungskräfte von morgen ausbilden“ (aktuelles CampusInfo). Also machen die (zukünftigen politischen?) Führungskräfte im AStA lieber keinen Ärger?

Genau dieses Selbstverständnis, gepaart mit einer „pragmatischen“ Studierendenschaft, die sich in einem Campusleben mit stark beanspruchenden Studienstrukturen und unsicheren Zukunftsaussichten zurechtfinden muss, führte zu dem hochschulpolitisch trägen Zustand, in dem wir uns jetzt befinden. Nicht nur Schafe, auch Menschen brauchen Vorbilder, denen sie folgen können – was die Hochschulpolitik angeht, sollte der AStA als studentische Vertretung diese Rolle übernehmen.

Es stellt sich also mit Blick auf die kommende Wahlperiode die Frage, worum es nun eigentlich geht in der Studierendenvertretung. Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Aus diesem Grund halte ich es für wichtig, sich darüber klar zu werden, was für uns als gesamte Studierendenschaft der richtige Weg ist, um unsere Anliegen anzugehen und unsere Situation zu verändern. Das kann meiner Ansicht nach nicht geschehen, wenn kreative Diskussion durch Formalia abgewürgt wird, oder kritische Debatte in Diplomatie erstickt wird. Es muss möglich sein, über hochschulparteiliche Grenzen hinweg gemeinsam für die Sache der Studierenden zu arbeiten. Eine Stärkung des Studierendenparlaments als Ort kritischen Geistes und freier Debatte ist notwendig, um sich offen mit Inhalten zu beschäftigen statt formelle Grenzen zu ziehen. Hochschulpolitik könnte weit einfacher und direkter sein. Man muss sie nur so machen.

4 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

Aber eine schöne Homepage hat der AStA....

Und wie man Mitglieder wirbt, die dann auf den Partys das Bier ausschenken können, zeigt dann auch gleich der erste Artikel, den der interessierte Studierende auf dieser Homepage zu lesen bekommt.

http://www.asta.uni-kiel.de/team/referate/sozialpolitik/406-eine-erfolgsmeldung-neuerdings-kann-die-haelfte-der-zeit-der-gremienarbeit-beim-bafoeg-angerechnet-werden.html

Eine 'Erfolgsmeldung'.

Hauptsache, die eigenen 'druckmäuserischen Schafe' sind im Trockenen....

10. Juni 2010 um 10:36  
Anonymous Anonym meinte...

Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

10. Juni 2010 um 10:38  
Anonymous Anonym meinte...

ui ein gelöschter kommentar... kann da jemand keine kritik ab?
zumindest sind in dem artikel einige punkte falsch dargestellt!

10. Juni 2010 um 16:27  
Blogger politik.punkt meinte...

Kommentar Nr. 2 (gelöscht) wurde ganz einfach doppelt gepostet und aus diesem Grund gelöscht.

Eine klärende Anmerkung zum Text: Unter den "Engagierten", die im Juni 2009 Banner sprayten, war auch ein AStA-Beauftragter. Das Sprachspiel "Engagierte" wird hier aufgenommen, um den relativen Kontrast der Engagements auf dem Dach und vor der Mensa darzustellen, der meiner Ansicht nach kritikfähig ist.

11. Juni 2010 um 09:17  

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